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Warum sich die Benzinpreise so schnell ändern !

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Christian

Christian

Wer bestimmt eigentlich, wie teuer das Tanken ist? Unter anderem zwei Menschen am Kurfürstendamm in Berlin. Unser Autor hat sich auf Spurensuche in einen äußerst eigenartigen Markt begeben. Von Hans Evert


© Marion Hunger
Olaf Brunnert hat seit 17 Jahren die Tankstelle an der Lietzenburger Straße 97 gepachtet – eine gute Lage in der City West in Berlin
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Benzin
Stefan Klembt könnte schuld sein. Oder auch seine Kollegin Ines Müller. Beides nette offene Menschen, die fünf Stockwerke über dem Kurfürstendamm einander gegenübersitzen. Durch die Scheiben ihres Büros dringt das gedämpfte Rauschen des Verkehrs. Von Autos, die betankt werden müssen. Autos, in denen Fahrer sitzen, die häufig fluchen, wenn sie plötzlich 1,649 Euro für den Liter Super E5 zahlen müssen statt 1,619 Euro wie noch beim letzten Mal.

Herr Klembt und Frau Müller haben dann möglicherweise ihre Finger im Spiel gehabt. Denn die müssen sie nur wenige Male über Computermaus und Tastatur gleiten lassen – schon gibt es an einer der 130 Tankstellen der Ketten Sprint oder Go einen neuen Preis. Herr Klembt und Frau Müller drehen also direkt an der Preisschraube. Schuld an hohen Spritpreisen sind sie deswegen nicht. Eher kleine Glieder einer gigantischen Kette, die sich von Bohrlöchern über Raffinerien und Tanklagern bis zur Zapfstation mit den Autos der Berliner spannt.

Wenige Themen bringen die Leute so in Rage wie die Preise für Diesel oder Ottokraftstoff an der Tankstelle. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass die Preise an den Zapfstationen so groß und weithin sichtbar angebracht sind. Sicher ist eines: Der Weg zur Zapfstation ist für Autobesitzer unumgänglich. Sicher ist aber auch: Für Superbenzin gingen die Preise seit 2000 um gut 57 Prozent rauf, für Diesel sogar um 67. Insgesamt verteuerte sich das Leben in Deutschland im selben Zeitraum nur um gut 20 Prozent.


© Marion Hunger
Duraid El Obeid (l.) führt die BMV Mineralöl Versorgungsgesellschaft mit Kerstin Schönherr und Ralf Schönherr

Tankverhalten
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© Infografik Welt Online
Tankverhalten der Autofahrer
Beim Kraftstoff dreht sich die Preisschraube erheblich schneller – und die Leute drehen auch erheblich schneller durch.

Davon weiß zum Beispiel Olaf Brunnert einiges zu berichten. Brunnert hat seit 17 Jahren eine Tankstelle gepachtet. Klein zwar, nur vier Zapfsäulen, dafür mit Werkstatt und guter Lage in der City West, Lietzenburger Straße 97. Klar, sagt Brunnert, wenn wie neulich der Literpreis wieder scharf Richtung zwei Euro geht, wird schon mal gepöbelt und gemeckert.

"Kannste nix machen, ist halt so", sagt Brunnert, den wohl ohnehin nichts so schnell umhaut. Ganz egal, ob er nun in seiner Werkstatt einen ganz besonders schweren Getriebeschaden oder einen sehr um seinen BMW besorgten Kunden versorgen muss.

Ab und an gibt es Radau

Und in einer Tankstelle, wo draußen groß und weit der Preis leuchtet und der Shop rund um die Uhr offen ist, kommen auch schon mal Bekloppte vorbei und machen Radau. So ist das eben, wenn man eine Tankstelle in der City betreibt. Zum Ausgleich und Entspannen gönnt sich Brunnert Motorradtouren durch unwirtliche Gegenden bis weit bis nach Asien und Afrika hinein. Neulich, auf dem Rückweg aus Indien, fuhr er durch den Iran. "Dort kostet der Liter vier Cent", sagt Brunnert und lacht.

Den Benzinmarkt, sagt der Tankstellenpächter, den hat er bis heute nicht so richtig verstanden. Gut findet er vor allem eine Sache: Er muss nicht mehr selber auf die Leiter und an der Preistafel rumjustieren, wenn Herr Klembt oder Frau Müller, die weniger als 1000 Meter Luftlinie entfernt von Brunnerts Tankstelle sitzen, den Preis verändern.

Zu Preisänderungen an deutschen Tankstellen muss man wissen: Es gibt Wettbewerb, er ist sogar knallhart. Aus jeder der 15.000 Tankstellen wird der nächste Konkurrent ausgespäht, und umgekehrt gerät jede Tankstelle selber mit ihren Preisen ins Visier der Nachbarn. Das große Deutschland ist kein einheitlicher Markt für Kraftstoffe.

Vielmehr zersplittert sich der Markt in viele Hundert Teile. Autobahntankstellen sind etwas ganz anderes als die in Stadt oder auf dem Land. Großstadt unterliegt anderen Regeln als Provinz, Citylage in der Metropole anderen als Stadtrandstation.

In der Regel zwei Cent runter

Brunnert mit seiner Sprint-Tankstelle guckt zum Beispiel, was der Pächterkollege der Aral-Station am Kurfürstendamm macht und wie teuer Diesel und Super bei Shell am Hohenzollerndamm sind. Die Gegnerbeobachtung erfolgt über einen Minilaptop, rechts neben dem Regal mit den Zigaretten. Im Monitor leuchtet das Blau von Aral.

Den kleinen Rechner dürfen Brunnerts Mitarbeiter hinter der Kasse nicht unbeobachtet lassen. Dafür muss Zeit sein zwischen dem Reichen von Kaffee, Zapfsäulennummer abfragen und Scannen von Zeitungen. Gerade ist alles gut mit Aral am Kurfürstendamm. Dort kostet ein Liter E10 1,599 Euro je Liter. An Brunnerts Station ist 1,589 Euro ausgeflaggt.

Mit dieser Situation kann Brunnert als Pächter gut leben. Und in der Zentrale von Sprint können sie es auch. "Wir wollen", sagt Stefan Klembt, "immer einen Cent unter dem Preis der Majors bleiben." Die Majors, die großen Firmen, das sind Aral, Shell, Total, Jet und Esso. Läuft also gut für Brunner und Klembt.

Anders wäre das, wenn Brunnerts Konkurrent am Kurfürstendamm plötzlich mit den Preisen runterginge. Dann löst Aral eine kleine Kettenreaktion bei Sprint aus. Solche Preisänderungen, oft Ärgernis für Autofahrer, kann es bis zu achtmal am Tag geben.

Als Erstes wird dann eine von Brunnerts Mitarbeitern an der Kasse, oft ist es Jessica Waldmann, die "Karte zur Eingabe der Wettbewerbspreise" zur Hand nehmen. Das ist eine unscheinbare weiße Chipkarte mit genau dieser Beschriftung. Die Karte wird durch einen Magnetstreifenleser an der Tankstellenkasse gezogen. Auf dem kleinen Bildschirm wird jetzt gefragt, ob man die Preiseingabe vornehmen wolle, "ja/nein".

"Ja" lässt eine Eingabemaske auf dem Bildschirm aufleuchten. Dort muss Waldmann dann den Preis des Konkurrenten eingeben und "Enter" drücken. Nun wird der Vorgang zur Aufgabe von Frau Müller und Herrn Klembt, in der Zentrale von Sprint am Kurfürstendamm, in einem Altbau im fünften Stock.

Wachen über das Preisverhalten der Konkurrenten

Dort warten Müller und Klembt auf Meldungen ihrer Pächter über das Preisverhalten der Konkurrenten. Die Datenbank ihrer Computer bunkert die Preise der firmeneigenen Stationen und die der Mitspieler in direkter Nachbarschaft. Wenn jetzt aus Brunnerts Tankstelle die Meldung kommt, dass Aral um die Ecke ein Cent günstiger ist, muss Herr Klembt den neuen Preis festlegen. In aller Regel wird er dann um zwei Cent runtergehen, um den Vorteil des Konkurrenten in einen eigenen zu wandeln. Also tippen dann Herr Klembt oder Frau Müller die neuen Preise für die Station an der Lietzenburger 79 ein, klicken anschließend auf "Übernehmen".

In Brunnerts Tankstelle in Wilmersdorf rattert jetzt die Kasse. Dann springt das Fax an. Es surrt die Liste mit den neuen Preisen raus. Dann dauert es ungefähr drei Minuten, bis ein Kassenbeleg herausfährt. Auch dort drauf ist noch einmal vermerkt, was der Treibstoff nun kostet. Jetzt ist der neue Preis amtlich und steht schon längst, vollautomatisch geht das, auf dem Preisschild und der Zapfsäule.

Ein neuer, niedrigerer Preis ist gut für Autofahrer und Pächter Brunnert. Der Vorteil für die Tankstellenkunden liegt auf der Hand. Brunnert bekommt eine feste Provision pro verkauften Liter. Diese Provision ist unabhängig von der Höhe des Benzin- oder Dieselpreises. Der Pächter will im Prinzip immer Niedrigpreise. "Manchmal haben wir harte Diskussionen mit den Pächtern am Telefon", sagt Stefan Klembt. Dreht die Preisspirale nach unten, dann löst das beim Chef von Frau Müller und Herrn Klembt Wachsamkeit aus.

Der Mann heißt Duraid El Obeid, und ist ein Mensch von zuvorkommenden Manieren und tadellosem Äußeren. El Obeid führt die Kette Sprint und sitzt zudem als Geschäftsführender Gesellschafter an der Spitze eines kaum bekannten Berliner Konzerns, der BMV Mineralöl Versorgungsgesellschaft, Jahresumsatz rund 1,5 Milliarden Euro. Die BMV ist der Mutterkonzern von Sprint und Großhändler für Kraftstoffe. Drückt die Konkurrenz im Tankstellenmarkt auf den Preis an der Zapfsäule, dann bleibt der BMV weniger Gewinnspanne. Denn so wenig wie Herr Brunnert, Herr Klembt oder Frau Müller Schuld am Benzinpreis haben, so wenig trifft es auch Herrn El Obeid.

Der Faktor Weltkonjunktur

"Beim Einkauf der Kraftstoffprodukte orientieren uns am OMR und Platt's", sagt El Obeid. OMR und Platt's sind die Preisnotierungen für Benzin und Diesel, das aus der Raffinerie kommt. OMR wird in Euro je 100 Liter notiert. Der Platt's ist in Dollar notiert. Beide sind der Großhandelspreis für Erzeugnisse aus der Raffinerie. In diesen gigantischen Anlagen, beispielsweise im uckermärkischen Schwedt unweit der Hauptstadt, wird Erdöl entschwefelt und in Kohlenwasserstoffmoleküle aufgespalten. Die BMV kauft die Raffinerieprodukte, veredelt sie in eigenen Lagerstätten, beispielsweise in Spandau, und verkauft das E5, E10 und Diesel dann weiter. Vor allem an die Pächter der eigenen Tankstellenketten Sprint und Go.

"Wenn man so will, sind wir eine Immobilienverwaltung mit Kraftstoffbetrieb", sagt El Obeid. Mit Immobilienverwaltung meint er den Betrieb, Marketing sowie Werbung und Ladenkonzept samt Zentraleinkauf für das hauseigene Tankstellennetz.

El Obeid und seine BMV, die er zusammen mit zwei weiteren Geschäftsführern leitet, beziehen ihren Kraftstoff von den großen Spielern auf dem Rohölmarkt: Total, Esso, BP, Shell und wie sie alle heißen. Diese fördern das Öl aus eigenen Bohrlöchern, verarbeiten es in Raffinerien und verkaufen es über ihr eigenes Tankstellennetz an die Autofahrer.

El Obeids BMV kauft von jenen Unternehmen, die gleichzeitig größte Konkurrenten der kleinen Tankstellenkette Sprint sind. Sind diese nun die eigentlich Schuldigen? Zumindest beherrschen BP, Total, Shell und Co. die gesamte Kette vom Bohrloch bis zur Zapfpistole an der Tankstelle. Die Nachfrage nach ihren Produkten, und damit der Preis, richtet sich nach den Gegebenheiten der Weltkonjunktur.

Aber auch beispielsweise danach, ob die USA als weltweit größter Konsument von Erdölprodukten einen harten oder lauen Winter hatte. Und dann ist da natürlich noch der Staat, mit seiner Mineralöl-, Öko- und Mehrwertsteuer. Deutlich mehr als die Hälfte des Literpreises geht an den Fiskus. Ein hoher Benzinpreis macht einem zumindest keine schlechte Laune: dem Finanzminister.

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